Kriegsveteranen

Im Namen der Gerechtigkeit, des Glaubens, wegen gekränkten Nationalstolzes, wegen Unterdrückung und Terror werden seit Menschengedenken kriegerische Auseinandersetzungen geführt. Jede vermeintliche Niederlage trägt dabei den Keim für den nächsten Waffengang in sich. Sieger feiern und gedenken der errungenen Siege.

Dies lässt sich auch für Nieder-Liebersbach nachvollziehen. Im Oktober 1863 erhielt der Veteran Konrad Klein zum 50jährigen Gedenken an die Völkerschlacht in Leipzig (16.-19.1813), mit der die napoleonische Herrschaft über Deutschland beendet wurde, aus der Gemeindekasse einige Gulden. Vielleicht gab er an diesem Tag noch einmal seine Kriegserlebnisse den staunenden Zuhörern zum Besten.

In den 1870er Jahren freuten sich die Nieder-Liebersbacher Schulkinder Anfang September über eine Wanderung, bei der sogar kostenlos Getränke verteilt wurden. Diese Freigiebigkeit hatte ihren Grund im sog. „Sedanstag“ des Jahres 1870, an dem deutsche Truppen die Franzosen vernichtend geschlagen hatten.

In einem Aktenbestand des Staatsarchivs Darmstadt wird auch der Name Johannes Leonhard Falter erwähnt. Dieser hatte bei einem Brand im Jahre 1877 in Nieder-Liebersbach seine sämtliche Habe, so auch seine Militärpapiere, verloren. Einige Tage nachdem Leonhard Falter seine Existenz verloren hatte, wühlte er mit seinen Angehörigen im Schutt an der Brandstelle und fand als einziges Überbleibsel seine kupferne Kriegsgedenkmünze, die sich heute noch bei den Akten befindet.

Falter hatte in den Monaten Mai/Juni 1849 gegen badische „Revolutionäre“ gekämpft und dafür, wie es auf dieser Gedenkmünze heißt, „FÜR TREUEN DIENST IM KRIEGE“ diese Auszeichnung erhalten.

Mit dieser Kriegsgedenkmünze begab sich Leonhard Falter am 25.April 1899 auf die Bürgermeisterei und gab Bürgermeister Emig folgendes zu Protokoll:

„Ich wurde im Jahre 1848 bei der II. Kompanie des Großherzoglich Hessischen Infanterie-Regiments zu Darmstadt eingezogen und machte als Musketier unter Hauptmann von Schenk und Oberleutnant von Zengen im Jahre 1849 den Feldzug gegen Baden mit. Gleich nach diesem Feldzuge wurde ich krank und lag 4 Monate in Darmstadt im Militärlazarett, von wo ich in meine Heimkonvaleszenz entlassen wurde. Mein Abgangszeugnis war gut, bestraft wurde ich während meiner Militärzeit nicht. Meine Militärpapiere sind mir bei einem Brande im Jahre 1877, wo mir mein ganzes Mobiliar verbrannte, mitverbrannt. Die vorliegende Kriegsgedenkmünze habe ich später bei dem Schutt auf der Brandstelle wieder gefunden.

Ich bin arm und habe mich seither mit meiner Familie durch meinen Verdienst als Taglöhner ernährt. Bin aber 71 Jahre alt und seit einem halben Jahr vollständig arbeitsunfähig. Ich bitte um weitere Veranlassung, dass mir eine Beihilfe aus dem Reichsinvalidenfond nach dem Gesetze vom 22. Mai 1895 gnädigst bewilligt werde.“

Ergänzend vermerkt Bürgermeister Emig, dass Falter seit 1865 in Nieder-Liebesbach wohnte, verheiratet war und Vater von drei Töchtern im Alter von 34, 24 und 18 Jahre war. Die älteste Tochter war `leidendA und wohnte bei den Eltern. Leonhard Falter klagte über Schwindelanfälle, Atembeschwerden, über Schmerzen in den Armen und Beinen, Gelenkschmerzen, der rechte Arm war vom Schultergelenk an steif, seine Füße angeschwollen.

Er klagte darüber hinaus über einen rechtsseitigen Leibschaden. Sein Militäreinsatz, `bei dem er sich vor dem Feinde nicht besonders auszeichneteA, hatte sicherlich zu dieser bedauernwerten körperlichen Verfassung beigetragen. Deshalb erhielt Leonhard Falter eine kleine Unterstützung, der er jedoch nur bis zu seinem baldigen Ableben am 10. Juli 1903 „genießen“ konnte.

Der ledige Johann Adam Jeck stellte im März 1913 einen Antrag auf „Veteranenhilfe“, den er folgendermaßen begründete: „In Anbetracht der sehr misslichen Lage, in der sich Unterzeichneter durch dem Vaterlande 1870/71 geopferte Gesundheit nun befindet, bittet er wenn möglich um Veteranenhilfe:“ Johann Adam Jeck hatte keine laufendes Einkommen, war „völlig arbeits- und erwerbslos“ und wurde von seiner Schwägerin gepflegt. Auch hier spielte die Kriegsgedenkmünze eine Rolle, da das Kreisamt in Heppenheim bemerkte „Ferner ist festzustellen, ob Jeck im Besitze der Kriegsgedenkmünze 1870/71 ist“. Auch er erhielt eine „Kriegsteilnehmerbeihilfe“, die er bis zu seinem Ableben am 6. November 1915 bezog.

Simon Schmitt II stellte im August 1911 einen Antrag auf Unterstützung: „In den Jahren 1870/71 hat der gehorsamst Unterzeichnete den Feldzug gegen Frankreich von Anfang bis zu Ende mitgemacht. Infolge der übergroßen Strapazen des nasskalten Biwaks bei der Belagerung von Metz habe ich mir in den Beinen viele Gebrechen zugezogen.“ Von da ab konnte Simon Schmitt II angeblich keine schwere Arbeiten mehr verrichten und war als Forstwart bei der Gemeinde Nieder-Liebersbach tätig gewesen. „Nur meinen Vorgesetzten war es zu verdanken, dass ich bis vor Kurzem im Dienst bleiben konnte“ verlautbart Schmitt. Der Nieder-Liebesbacher Beigeordnete Hübner sah die Angelegenheit mit anderen Augen: „Auch scheint mit der Gesundheitszustand des Schmitt, vielmehr die Krankheit, bei weitem nicht so schlimm zu sein, wie er sich stellt, was hierorts allgemein beredet wird. Schmitt ist noch ein rüstiger Mann, dem ein wenig Arbeit überhaupt nach meinem Gutachten gar nichts schaden würde.“

Trotz dieser Bedenken erhielt Simon Schmitt II eine Beihilfe bis zu seinem Tod am 29. Oktober 1915.

Diese Beispiele zeigen stellvertretend bei allen Widersprüchlichkeiten, dass ein Krieg viele verschiedene Gesichter hat und eigentlich nur Verlierer kennt.

Günter Körner (15.01.2015)