Wasserversorgung

Kurz vor und nach dem Beginn des 20. Jahrhunderts bemühten sich selbst kleinere Landgemeinden an den Segnungen des Fortschritts teilzuhaben. Dazu zählte neben der fortschreitenden Elektrifizierung auch der Bau von Wasserleitungen. Der Nieder-Liebersbacher Gemeinderat hatte im September 1905 einen Grundsatzbeschluss gefasst, der lautete: „Wir beabsichtigen für die hiesige Gemeinde eine Wasserleitung herstellen zu lassen, wenn die Kosten im Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde nicht zu hoch sind. Wir wünschen, dass von der Gr. Kulturinspektion alsbald ein diesbezügliches Projekt ausgearbeitet wird“.

Wegen mangelnder finanzieller Möglichkeiten ruhte die Angelegenheit bis Jahresanfang 1907. Jetzt bestand Aussicht auf „Staatsmittel“, so dass der Bürgermeister den Auftrag erhielt, die Planungsarbeiten von der Kulturinspektion ausführen zu lassen. Zur Jahresmitte 1907 war diese Vorarbeit erledigt.

Die „Anmeldungen“ zur Wasserleitung der Hauseigentümer waren anfangs eher zögerlich, doch mit der Inangriffnahme der Arbeiten „werden sich voraussichtlich noch so viele Teilnehmer entschließen, dass der erzielt werdende Wasserzins (= Wassergeld) die jährlichen Zinsen des Anlagenkapitals deckt“. Die Wasserleitung sollte entlang der Kreisstraße gegen Birkenau bis an die Gemarkungsgrenze (Anwesen Leonhard Bürner, der einen einmaligen Zuschuss von 300 Mark leistete) gebaut werden. „Sollten sich die rechts an der Straße nach Reisen liegenden Hausbesitzer oberhalb des bis jetzt angemeldeten Teilnehmers Johannes Fath nicht alle oder nur in so geringer Anzahl entschließen, … so soll die Leitung vorerst nur bis zur Hofraithe des Fath gelegt werden.“

Es konnte so zuerst mit der Fassung der Quellen begonnen werden. Da die Gemeinde keinerlei Rücklagen hatte, wurden 1200 Mark aus der Landeskreditkasse geliehen.

Nikolaus Reinhard aus Sulzbach war der „Mindestfordernde“ und erhielt den Auftrag, die Quellenfassung durchzuführen. Umfangreiche Vorbereitungen, wie Vermessungen usw. wurden von der Großherzoglichen Kulturinspektion als Fachbehörde veranlasst bzw. koordiniert. Der Tiefbauunternehmer Konrad aus Höchst im Odenwald führte die Verlegung der Wasserleitungen durch. Die Arbeiten schritten zügig voran. Der notwendige Hochbehälter wurde auf dem angekauften Gelände des Peter Knapp errichtet.

Die gemeindliche Wasserleitung verursachte einen Kostenaufwand von etwa 38.000 Mark. Die Schulden der Gemeinde Nieder-Liebersbach hatten sich auf einmal mehr als verdoppelt. Die Brandversicherungskammer leistete wegen des erhöhten Feuerschutzes in den Folgejahren Zuschüsse.

Mitte des Jahres 1908 wurde zur Ermittlung des Wasserpreises eine Kommission gebildet, der 6 Mitglieder angehörten. Als Rohrmeister wurde der Schmied Jakob Geiß gegen eine jährliche Vergütung von 50 Mark vom 1.1.1908 an verpflichtet, Stellvertreter war Simon Helmling. Der Wasserverbrauch der Gemeinde für öffentliche Zwecke (Schulhäuser, Straßenreinigung usw.) wurde durch eine pauschale Zahlung von 280 Mark abgegolten.

Wasserzähler waren damals selbstredend noch nicht vorhanden. So wurde festgelegt, dass als Durchschnittswert 5 Mark pro Familie jährlich entrichtet werden sollte, wobei es „freisteht einen Weniger- oder Mehrbetrag (nach Größe der Familie)“ zu verlangen. Für die Lehrerfamilie Wagner hatte die Gemeinde nach „Begutachtung“ 11 Mark Wassergeld festgesetzt, wogegen sich der streitbare Pädagoge wehrte. Der Gemeinderat „kann jedoch nicht einsehen, dass er so unrecht gehandelt und bleibt auf seiner früheren Begutachtung auf 11 Mark bestehen“.

Hatte kurz nach Fertigstellung der Wasserleitung eine Zeitungsmeldung optimistisch gelautet „Wasserleitung hat Feuerprobe trotz starker Trockenheit bestanden. Nie Wassermangel.“ So stellte der Gemeinderat zur Jahresmitte 1912 fest: „Da durch anhaltende Trockenheit die Hauptquelle der hiesigen Wasserleitung das nötige Wasser nicht mehr liefert, so hat der Gemeinderat beschlossen, die bei der Erbauung der Wasserleitung gefasste Reservequelle dem Hauptstrang anzuschließen.“

1922 wurde die jährliche Vergütung des Rohrmeistes auf 600 Mark festgesetzt. Durch die galoppierende Inflation sah sich die Gemeinde in der Lage, die „Wasserleitungsschulden“ auf einen Schlag abzubezahlen. 1928 erkannte der Gemeinderat eine Aufwertung „der früheren Restschulden bei der hessischen Landeskreditbank aus dem Betrag von 3700 mit 625 Mark Aufwertung an“.

1930 wurden Angebote für die Errichtung einer Pumpanlage eingeholt. 1935 ersetzte Heinrich Müller aus Reisen die Pumpe.

1951 wurde auf Vorschlag des Wasserwirtschaftsamtes Darmstadt „In den Hammelsgräben“ ein Sammelbecken geschaffen. Erweitert wurde die Wasserversorgung 1953 durch die Verlegung von Leitungen nach dem „Ilbesenacker“ und nach dem „Schloßberg“

1955 wurden die Wassergeldzahlungen teilweise neu geregelt: „für ein Klosett mit Wasserspülung wurde ein Zuschlag von 6 Mark, für ein Bad von 4 Mark, für Autobesitzer von 5 Mark und für Bulldogbesitzer ein solcher von 2 Mark“ erhoben. Damit sollte eine gewisse Kompensierung für die Erweiterung der Wasserleitung erreicht werden.

1956 ging man daran Wasserzähler anzuschaffen. Am 29.6.1956 hatte man eigens dazu einen Vertreter der Zählerfabrik Spamer und Loewen aus Frankfurt zu einem Referat „über die Vor- und Nachteile der Wasserzähler“ eingeladen. Die Zähler wurden auf Kosten der Gemeinde angeschafft. Dafür verlangte man monatlich 30 Pfennig Gebühr. Der Wasserpreis betrug damals 40 Pfennig je Kubikmeter. Als Ableser wurde der Feldschütze Trautmann bestimmt, der die Zähler einmal im Quartal abzulesen hatte.

Anfang 1959 gab der Bürgermeister Untersuchungsergebnisse der Wasserqualität bekannt, dabei „waren die drei Quellen im Roth einwandfrei“, das Ergebnis im Pumpwerk gab Anlass zur Sorge, da dort Keime festgestellt wurden. 1959 und 1960 hieß es bei verschiedenen Gelegenheiten „das Wasser ist weiterhin nur in gekochtem zustand genießbar“. 1961 zog man das Medizinalamt Darmstadt zur Rate. Wieder wurde das Pumpwerk als Verursacher der Verunreinigungen namhaft gemacht. Als eine zur Sicherung der Wasserqualität sollte der Mühlgraben „in Schalen gelegt werden“.

1961 stellte der Bürgermeister in seinem Jahresbericht fest, dass 917 Meter Kanal und 400 Meter Wasserleitungen verlegt worden waren. 1962 ist zu erfahren, „dass die obere Quelle 177 Kubikmeter, die untere Quelle 93 Kubikmeter und das Pumpwerk 187 Kubikmeter Wasser in 24 Stunden liefern.“

Im November 1962 beschwerte die die SPD-Fraktion über nicht angekündigte Stilllegung des Wassernetzes. Ein neuer Wasseranschluss sollte an Werktagen zwischen 11.00 und 13.00 Uhr und am Samstag ab 12.00 Uhr veranlasst werden.

1963 lehnte der Gemeinderat die Entnahme von Trinkwasser der Fa. Sattler ab, da „die Gemeinde in den Sommermonaten selbst an Wassermangel leidet“. In diesem Jahr wurde das Wasserproblem als „dringendstes Vorhaben der Gemeinde“ bezeichnet. Die Leistung der Quellen hatten von 1958-62 kontinuierlich nachgelassen. Das Wasserwirtschaftsamt wurde eingeschaltet. 1964 wurde ein hydrogeologisches Gutachten vom Landesamt für Bodenforschung in Wiesbaden erstellt. Ein Ergebnis war, dass in den „Weiherwiesen“ Versuchsbohrungen durchgeführt werden sollten. Auch dachte man an den Bau eines neuen Hochbehälters. Im Dezember 1964 gab ein Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes bekannt, dass die beiden durchgeführten Brunnenbohrungen mindestens für die nächsten 25 Jahre ausreichende Mengen Trinkwasser liefern würden. Der alte Brunnen am Sportplatz sollte saniert werden.

Am 3. September 1965 referierte Ingenieur Krimmelbein vom gleichnamigen Büro in Nieder-Kinzig: „…, dass unsere Wasserversorgungsanlage zu klein ist und dass der Wasserspiegel im Reservoir 200 m hoch liegt und der höchste Hydrant 198 m hoch liegt.

Der neue Behälter muß mindestens 25 Meter höher angebracht werden, weil man auch das Neubaugebiet berücksichtigen muss. Die zwei neuen Bohrbrunnen würden auf Sicht hinaus ausreichen, um den Ort mit Wasser zu versorgen.

Das Wasser der vorhandenen Quellen, könnte man als Laufbrunnen benützen. Sollte der neue Hochbehälter am Heiligenberg erstellt werden, so müssen zirka 600 Meter Leitungsrohre ausgewechselt, oder an jedem Haus ein Druckventil eingebaut werden.

Deshalb schlug er die Errichtung des Hochbehälters auf dem Schlossberg vor.

Die Gesamtbaukosten würden zirka 720.000 DM betragen.“ Es wurde in den nächsten Jahren die Verbesserung der Trinkwasserversorgung in Angriff genommen. So stellte etwa der Kreisverwaltung für diesen Zweck eine Schuldendiensthilfe von 400.000 DM in Aussicht. 1969 wurde der Wasserpreis pro Kubikmeter auf 1 DM festgelegt.

Im Juni 1970 machte man sich Gedanken, in welcher Form das neue Wasserwerk eingeweiht werden sollte. Bei der Einweihung sollte möglichst der Landrat, Herren von der Regierung und Wasserwirtschaftsamt zugegen sein.

Für die Verbesserung der Wasserversorgung gab Nieder-Liebersbach in den Jahren 1968-71 665.000 DM aus. Weitere 100.000 DM waren damals noch zu verbauen.

Damit war eine zeitgemäße Ausbaustufe erreicht.

Die Aufwendungen für den Ausbau des Kanalnetzes schätzte man damals noch auf etwa 1.750.000 DM. Wobei für den Ausbau des Liebersbaches 670.000 DM und für den Bau des Hauptsammlers 540.000 DM angesetzt wurden.

Günter Körner (01.02.2015)