Über das Liebersbacher Gewerbe 1936 – 1950

Über das Liebersbacher Gewerbe 1936 – 1950

Die Überschrift verspricht eigentlich mehr, als sie hält. Es sind vielmehr stichwortartige Einträge, die aber dennoch einen Überblick über das Nieder-Liebersbacher Gewerbe für den Zeitraum von 1936 -1950 geben. Es handelte sich dabei damals um bescheidene Versuche, den Lebensunterhalt durch Tätigkeiten, die vermutlich eher geringe Erträge zeitigten, mit zu bestreiten. Interessant sind dabei die Gewerbe, durch die sich Heimatvertriebene eine neue Existenzgrundlage erhofften. Alteingesessene Liebersbacher werden sich bestimmt noch an Nachfolgendes erinnern:

„Antrag Erich Helth, Nieder-Liebersbach, Hauptstraße 95 vom 25.10.1947 Erzeugung von Wattefrüchten, künstlicher Blumenkelche, Staubfäden und Knospen.“

Der Beitrag versteht sich als ein kleiner Baustein, dem hoffentlich noch mehrere auch von anderer Seite folgen.


27.3.1936, Fachgruppe Nahrungs- und Genussmittel, Bezirksfachgruppe Hessen, Frankfurt, fragt an, ob Michael Kadel I einen Handel mit Sämereien betreibt, er soll keinen Gewerbeschein besitzen. Der Handel soll untersagt werden!

Michael Kadel I wird von der Gendarmeriestation Birkenau am 6.4.1936 vernommen: er ist geb. 22.6.1904 Nieder-Liebersbach, wh. Sulzbacher Str. 3. Er ist Ortsbauernführer und hat im Herbst 1935 Saatgut von verschiedenen Lieferanten besorgt und ohne Verdienst an die Bauern abgegeben. Lediglich Unkostenersatz wie Porto usw. wurden erstattet.


17.5.1938, Nieder-Liebersbach Lebensmittelgeschäft des (…) war bei Kontrollen unsauber, er ist schwer kriegsbeschädigt kann sich nicht bücken, Ehefrau arbeitet in Heppenheim in einer Wollspinnerei, nach mehreren Ermahnungen sind die Umstände in Ordnung.


14.11.1938 Antrag von Franz Schmitt, Nieder-Liebersbach auf Genehmigung zur Übernahme der Metzgerei, die sich z. Zt. in Pacht seines Bruders Leonhard Schmitt, Nieder-Liebersbach befindet Genehmigung wurde erteilt.


22.1.1938 betr.: (…), Lebensmittelladen, anonymes Schreiben: Trotzdem Sie eine Kontrolle bei dem hiesigen Lebensmittelhändler abhielten, ist bei dem einen Geschäftsmann immer noch der alte Sauladen vorhanden. Meine Nachbarin holte vor einigen Wochen Marmelade, die hatte geschmeckt wie Heringe, scheinbar sind dem Geschäftsmann die Rollmopsdose in den Marmeladeneimer gefallen, eine andere Hausfrau holte Gemüsenudeln, darin war zu finden ein Reisnagel und ein Stück Wandspeis, eine weitere holte bei demselben Zucker, der roch wie Katzendreck. Die Hausfrau ging dann zu dem Händler und es stellte sich heraus, dass die Hauskatze auf dem Zuckersack ihr Lager aufgeschlagen hatte, dies sind nur einzelne Andeutungen. Wenn es noch solche Leute im Lebensmittelhandel gibt, die direkt den Kunden anekeln, so sind es dieselben nicht würdig einen Lebensmittelladen zu führen.

Ich denke das genügt.

Der Name von demselben ist (…), Eine Hausfrau.

Gendarmeriestation: wird laufend überwacht, im Haus keine Katze vorhanden.


1939, Antrag auf Ausnahmegenehmigung des Kraftfahrzeughandwerkers Johannes Falter II zu Nieder-Liebersbach

Bin geboren am 19.12.01 in Nieder-Liebersbach, erlernte vom 21.7.1917 – 20.7.1920 das Maschinenschlosserhandwerk in der Maschinenfabrik Badenia in Weinheim. Die Gesellenprüfung legte ich am 22.10.1920 ab. Bin im Besitze des Führerscheins Kl. 1 und 3 b. Im Jahre 1924 war ich im Autohaus Ebert, Weinheim beschäftigt und ab 1925 – 20.7.1938 bei Adam Falter V in Birkenau als Mechaniker. Ich habe die Absicht, mich selbständig zu machen und zwar in Nieder-Liebersbach als Motorradhändler mit Reparatur.

Hessische Handwerkskammer Darmstadt; Es ist zumutbar, dass Falter die Meisterprüfung macht. Soll bis 1939 Meisterprüfung ablegen.


6/1946, Friedrich Johann Helfert, beantragt eine Schuhverkaufsstelle wieder zu eröffnen, (*10.3.1895) Mein Geschäft besteht seit 1919. Ich führe seit dieser Zeit Kolonial- und Schuhwaren. 1940 kam die Einberufung zum Militär und nach der Entlassung wurde ich im Baugewerbe (Fliegerschaden) eingesetzt.

Da meine Frau 1941 schwer krank war und lediglich die Tochter das Geschäft weiterführen konnte, ruhte der Schuhverkauf. Da ich jetzt wieder zu Hause bin und es mir möglich ist, den Schuhverkauf aufzunehmen, bitte ich Sie, mir die Bezugsscheine für die hiesige Gemeinde übersenden zu wollen.

Gemeinde befürwortet, 25.7.1946 politische Belastung soll noch geprüft werden, dann keine weiteren Vorgänge.


6.3.1948 Hans Falter Nieder-Liebersbach Erlaubnis für einen Steinhauer


15.3.1948 Antrag des Franz Mück, Nieder-Liebersbach , Hauptstr. 55 auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung eines Handwerkbetriebes als Küfer


10.2.1947, Andreas Eck, Antrag auf Eröffnung einer Verkaufsstelle in Rauchwaren in Nieder-Liebersbach

Da ich durch meine Schwerkriegsbeschädigung (steifes rechtes Bein und Sprunggelenk gelähmt) nicht mehr fähig bin, meinen früheren Beruf als Maschinenschlosser auszuüben, bin ich gezwungen, ein anderes Fach einzuschlagen. Deshalb möchte ich mich um die Verkaufsstelle in Rauchwaren in Nieder-Liebersbach bewerben. Mit meiner Rente kann ich meine 5köpfige Familie, bestehend aus 3 Kindern unter 14 Jahren nicht ernähren und ich bin deshalb gezwungen, mir eine Verdienstmöglichkeit zu beschaffen.

Ich bitte meinen Antrag stattzugeben und mir höheren Bescheid hierüber zugehen zu lassen.

Ablehnungsbescheid vom 21.4.1947, fehlt Sach-, Fachkenntnis und kaufmännische Bildung


8.1.1946, Georg Ed. Jeck, Gesuch um die Genehmigung, die Spinnstoffwarenverkaufsstelle in Nieder-Liebersbach zu übernehmen.

Ich bitte Sie hierdurch bewirken zu wollen, die Spinnwarenverkaufsstelle für Nieder-Liebersbach mir übertragen zu wollen. Seit dem Jahre 1928 bin ich selbständiger Textilwarenhändler und habe Nieder-Liebersbach und auch die umliegenden Orte beliefert. Da ich der einzige Textilwarenhändler hier bin, wäre es doch angebracht, mir die Verkaufsstelle zu übertragen. Ich bitte deshalb nochmal höflichst, meinem Ersuchen stattzugeben.


31.1.1946

Es erscheint Gg. Ed. Jeck, Nieder-Liebersbach und bringt vor, dass er in Nieder-Liebersbach seit 1928 ein offenes Ladengeschäft mit Woll- und Textilwaren betreibt. Es ist ihm seitens des Wirtschaftsamtes die Verteilungsstelle für Spinnstoffe zugesprochen worden. Das Geschäft war während des Krieges geschlossen, da der Inhaber zur Wehrmacht einberufen war. Es handelt sich hier um die Wiedereröffnung seines seit 1928 bestehenden Ladengeschäfts. Außer der mir vom Wirtschaftsamt zugesprochenen Verteilungsstelle für Spinnstoffe stehe ich schon seit Gründung meines Geschäftes mit verschiedenen Lieferanten in Geschäftsverbindung.

Der politische Fragebogen wurde an den Gesuchsteller abgegeben.

Juli 1947: ja es bestehen keine Bedenken


11.12.1945, Georg Eck, Schuhmacher, Gesuch um die Genehmigung eine Schuhverkaufsstelle in Nieder-Liebersbach zu übernehmen.

Ich bitte Sie hierdurch höflichst, die in Nieder-Liebersbach zu vergebende Schuhverkaufsstelle mir übertragen zu wollen. Schon 1930 habe ich schon das Schuhmachergeschäft mit Schuhverkauf angemeldet. Ich bemerke auch, dass in unserem zur Zeit 1000 EW großen Ort kein Schuhverkaufsgeschäft vorhanden ist, weshalb doch eine örtliche Verkaufsstelle sehr zu begrüßen ist.

Ich bitte sie nochmals höflichst, meinem Gesuch stattgeben zu wollen.

Zunächst am 28.3.1946 abgelehnt, geringes Warenkontingent, außerdem besteht zur Zeit ein allgemeiner Stopp für die Zulassung von Handelsgeschäften.

13.8.1946 nach Einlegung eines Widerspruchs ja


Antrag Erich Helth, Nieder-Liebersbach, Hauptstraße 95 vom 25.10.1947 Erzeugung von Wattefrüchten, künstlicher Blumenkelche, Staubfäden und Knospen

Ansuchen um Erteilung des Gewerbes für die Erzeugung von Wattefrüchten, künstlicher Blumenkelche, Staubfäden und Knospen.

Ich, Erich Helth, geb. Am 14.2.1923 in Hilgersdorf, Kreis Schluckenau, Sudetenland, jetzt wohnhaft in Nieder-Liebersbach Kreis Bergstraße, Hauptstraße 95 ersuche hiermit die löbl. Gewerbebehörde um Erteilung des Gewerbes und Produktionsgenehmigung für die Erzeugung von Wattefrüchten, künstlichen Blumenkelchen, Staubfäden und Knospen

Begründung: Ich bin Ostflüchtling, körperbehindert am linken Oberschenkel und beiden Armen, und bin so nicht in der Lage, jedwede Art von Arbeit aufzunehmen. In meinem Beruf, ich war kaufm. Angestellter im väterlichen Geschäft, kann ich hier leider keine Beschäftigung finden. Um mir und meiner Familie eine Existenz zu schaffen, bin ich gewillt, die Fabrikation obiger Artikel, welche sich vorzüglich für den Export eignen, aufzunehmen. Ich habe in den Jahren 1945 und 1946 in diesen Fächern gearbeitet und besitze sämtliche Fachkenntnisse.

Meine Vorbereitungen sind bereits so weit gediehen, dass ich bei Genehmigung meines Ansuchens die Produktion sofort aufnehmen kann. Ich bitte daher mein Gesuch ehestens zu bearbeiten und das Gewerbe und die Produktionsgenehmigung zu erteilen, damit ich baldigst Arbeiten kann, und somit nicht von der öffentlichen Fürsorge abhängig bin.

Flüchtlingskommissar des Kreises Bergstraße, CDU des Kreisverbandes verwenden sich für Helth

9.1.1948 ja,


15.5.1947 Antrag des Emil Grünig Genehmigung einer mechanischen Werkstätte

Ich beabsichtige hier eine mechanische Werkstätte aufzumachen, worin Reparaturen von Kfz. Schreib-, Rechen- und Nähmaschinen ausgeführt werden. Außerdem beabsichtigte ich die Herstellung von Souvenirartikeln, worin die Möglichkeit besteht, die amputierten Kriegsbeschädigten vom Ort zu beschäftigen. Ich bitte um Befürwortung und zur Genehmigung der Handwerkskammer weiterzuleiten.

Erlaubnisurkunde vom 22.4.1948


Antrag der Margarete Psolka als Zulassung als Kunsthandwerkerin (geb. Lennert) 2/1948

Abgelehnt


Antrag des Joseph Pfeiffer, * 5.5.1893 Kroisbach/Ungarn, vh, Reisener Str. als Korbmacher und Besenbinder zugelassen zu werden 6/1948

Erlaubnis vom 31.7.1948


Antrag des Andreas Eck, Nieder-Liebersbach Balzenbacher Str. 11, auf Eintragung in der Handwerksrolle als Schlosser (Ausnahmegenehmigung)

Erlaubnisurkunde vom 5.8.1948, Meisterprüfung ist bis zum 31.12.1949 abzulegen.


24.5.1948

Antrag der Liesel Krebs Nieder-Liebersbach, Hauptstraße 50 auf Erweiterung ihres Geschäftes auf den Verkauf von Obst, Gemüse, Glas, Porzellan-, Textil-, und Wollwaren.

Liesel Krebs geb. Jüllich, geb. 15.5.1917 in Nieder-Liebersbach

bisher: Kolonialwaren, Kurzwaren, Branntwein und Flaschenbierverkauf, Futtermittel

Erlaubnis Obst und Gemüse, kein Glas usw. Erlaubnis vom 16.10.1948


Martin Seidel, * 5.7.1908, Dresden, Antrag Neuerrichtung einer Verkaufsstelle: Eisenwaren, Glas-, Porzellan, Haushaltsartikel, Öfen und Herde, Verkauf im Barackenraum, Lager ein Teil des schwiegerelterlichen Geländes (ca. 50 qm,)

Erlaubnis vom 7.12.1948


Klos, Johannes, Reisener Str. 2

auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung eines Handwerksbetriebes als Maler und Anstreicher, Antrag vom 11.2.1948

Erlaubnisurkunde vom 17. Juni 1948


Emil Gorsnsky, Nieder-Liebersbach, Hauptstraße auf Eintragung in die Handwerksrolle als Friseurmeister

Erlaubnis vom 14.12.1948


Bernhard Helbig, Nieder-Liebersbach, Hauptstraße 104 auf Eintragung betr. Erteilung einer Ausnahmegenehmigung als Herren- und Damenschneider

hat bereits Genehmigung vom (…) als Herren- und Damenschneider

16.12.1947

Og. Stellt Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zwecks Eintragung in die Handwerksrolle. Er hat 1929 die Gesellenprüfung mit Erfolg abgelegt und war bereits lt. Mitteilung der Bürgermeisterei von 1933-38 selbständig. Anforderungszettel für Umlage und Beitrag zur Handwerkskammer für 1938 liegt dem Antrag bei. Innung und Kreishandwerkerschaft befürworten den Antrag. Helbig gehört zu dem Personenkreis, der unter die Weihnachts-Amnesty fällt. Gegen die Eintragung in die Handwerksrolle bestehen diesseits keine Bedenken und kann sie aufgrund seiner früheren Selbständigkeit ohne Bedingung vorgenommen werden. Da er jedoch nicht den Nachweis der bestandenen Meisterprüfung erbringt, berechtigt seine Eintragung in die Handwerksrolle nicht zum Anleiten von Lehrlingen.

Wir überreichen Ihnen die Unterlagen mit der Bitte um Entscheidung.


Am 1.5.1950 will Maß- und Modewaren führen, keine Erlaubnis erforderlich


Günter Körner 8.6.2015

Link zum Vortrag von Christine Dietrich „Dörfliches Leben und Arbeiten im Wandel der Zeit“