Liebersbacher Straßengeschichten 1951

Einweihung der Straße NL-Birkenau am 24. Juni 1951

In einem Aktenbündel finden sich noch heute alle Berichte und dazugehörigen Utensilien, die bei der Straßeneinweihung im Juni 1951 Verwendung fanden. Angefangen über eine Urkunde, die besagt: Hiermit melden wir dem Herrn Landrat Dr. Lommel die Fertigstellung der Straße Birkenau – Nieder.Liebersbach und bitten um Freigabe derselben für den Verkehr.

Damit ja keine Fehler unterlaufen sollten, war erklärend vermerkt: „Diese Meldung wird dem Herrn Landrat Dr. Lommel am 24. Juni 1951 aus Anlass der Straßeneinweihung mittels einer Stafette durch Birkenauer und Nieder-Liebersbacher Sportler überbracht.

Die Kinder der ersten Volksschulklasse übten fleißig das Lied „In Liebersbach, da ist es gar prächtig“. Ein Festausschuss hatte u. a. 300 Liter Wein, 2000 Pappteller, 461,5 Pfund Wurst, fast 2000 Brötchen, Rauchwaren, Süßwaren und, und, und…… für das stattfindende Volksfest geordert. So war Nieder-Liebersbach für diesen Anlass bestens gerüstet. Allein der Wettergott war an diesem Sonntag ein Spielverderber, es regnete Bindfäden.

Die damalige Stimmung gibt sehr gut ein Zeitungsbericht wider, der auszugsweise zitiert wird:

Nachdem die beiden Gesangsvereine von Birkenau mit je einem Lied die Feier eröffneten, sprach Bürgermeister Weber, Birkenau, die Begrüßungsworte, in denen er Freude und Dank zum Ausdruck brachte, dass die Straße nun endlich fertig ist. Nieder-Liebersbacher Sportler überbrachten mit einem Stafettenlauf dem Landrat die Urkunde zur Freigabe der Straße. Landrat Dr. Lommel, der den Weiheakt vollzog, schilderte in seiner Ansprache noch einmal die Entstehungsgeschichte der Straße, die auf das Jahr 1926 zurückgreift. Die Gemeindevertretung Nieder-Liebersbach könnte nun auch gleichzeitig 25jähriges Beschwerdejubiläum feiern. Denn solange ist es nun her, seitdem die Gemeindevertretung Beschwerde wegen der alten Straße führt. In den Jahren 1939 und 1941 seien im Kreisetat schon einmal 87000 Mark für diesen Straßenbau bereitgestanden, die jedoch durch die Kriegsereignisse nicht für den ursprünglichen Zweck verwendet werden konnten. Auf Grund einer Resolution, die im Jahre 1949 in einer Bürgerversammlung von der gesamten Einwohnerschaft Nieder-Liebersbachs gefasst worden war, beschäftigte man sich bei der Kreisbehörde erneut mit diesem Problem.    …   Der Weiheakt hatte seinen Höhepunkt erreicht, als der Landrat mit der für diesen Zweck gekauften mit der entsprechenden Gravierung versehen Schere das Band durchschnitten hatte und damit die Straße für den Verkehr freigab. Die Motorradstaffel, darunter Pfarrer Müller, war dann nicht mehr zu halten und fuhr mit einer übernormalen Geschwindigkeit dem Festort Nieder-Liebersbach zu. Der Festzug bewegte sich dann, an der Spitze die Gemeindevertreter von Birkenau und Nieder-Liebesbach, zum Festplatz. Am Ortseingang von Nieder-Liebersbach schlossen sich Sportvereinigung, Feuerwehr, Gesangsverein und Schule dem stattlichen Festzug an, der sich mit den Klängen der Birkenauer Feuerwehr und des Spielmannszuges der Sportvereinigung Nieder-Liebersbach zum Festplatz bewegte.

Selbst das Heppenheimer Original die Lissebärwel, die über Jahrzehnte mit ihren Mundartbeiträgen in der Südhessischen Post regionale Ereignisse launisch kommentiert hatte, war in Nieder-Liebersbach erschienen.

In ihrer eigenen Art bemerkte die Lissebärwel: Dem Herr Landrat häwese e funkelnagelneiji Scheer in die Hand gedrickt wierer geredd katt hot, dodemit horrer däs Band dorschgschnerre, un ereffent wase, die nei Strooß. Ich häb meer glei gedenkt, die Strooß muß was gonz besonderes soi, sunscht weer doch außer dem Hannickel un meer, net souveel Brominenz do ! Wie mer uns all minanner bekannt gemacht katt häwe, die verschiedene Herrn Dokder, Parre un Boijemoaschder, is de Feschtzuck lusgonge. Ich bin mim Fußvolk maschiert – die Audo un Modrerrer sinn vornewäg, wärrem Geruch. E scheenes Doal is däs do naus uff Liewerschbach, wärklich, des hot mer gfalle. Blous häb ich glei gsoad, wann mer iwer de Hund muß, kimmt mer iwer de Schwanz – die Strooß heet ruhig en Meder brärer soi derfe, de Blatz is doch do, un mer muss doch an die Zukunft denke. Mer mahnt die Leit heen noch koa Kinnerschuh kaaft die kaaft mer doch a net sou knapps!

Damit hatte die „Lissebärwel“ trotz aller berechtigten Freude über die neue Straße wohl recht.

Zeitungsartikel Pfarrer-Müller-Straße in Nieder-Liebersbach   (1951)

Nieder-Liebersbach. Wie immer, wenn fruchtbringende Gemeinschaftsarbeit geleistet werden soll, stellte Pfarrer Müller auch diesmal beim Straßenbau tatkräftig als Vorarbeiter seine Kraft zur Verfügung und ging mit bestem Beispiel voran. Nachdem die Straße Birkenau – Nieder-Liebersbach auf der Birkenauer Seite fertiggestellt ist, hat man vor etlichen Tagen auch unsere Dorfstraße in Angriff genommen. Dank der Initiative von Pfarrer Müller hat es die Firma Schuchmann (Darmstadt) durch Überstunden zuwege gebracht, dass die diesjährige Fronleichnamsprozession auf der neuen Teerstraße durch das Unterdorf ziehen konnte.

Bis zum Ausgang des Dorfes in Richtung Ober-Liebersbach sind es nur noch knappe 200 Meter, die der Fertigstellung harren. Man hofft, bald damit fertig zu sein. Dann kann das restliche Unterdorf von der Brücke bis zur „Villa“ in Angriff genommen werden. Den letzten, bis kurz vor dem Hasselhof reichenden Bauabschnitt, der große Erdbewegungen notwendig gemacht hat, da die Straße wegen der ständigen Überschwemmungsgefahr aufgeschüttet werden musste, glaubt man bis zum 24. Juni beenden zu können.

Die neue Straße beweist durch die Großzügigkeit ihrer Ausführung ein waches Interesse des Kreises Bergstraße an der Befriedigung der Wünsche ihrer Bewohner. In Zukunft wird sich das Dorf wohl nicht immer seines stillbeschaulichen Daseins erfreuen können und sicherlich auch als verkehrstechnisch erschlossen gelten dürfen. Die ersten Anzeichen dafür brachte bereits der Strom von Ausflüglern und Wanderern in den ersten Maitagen und zu Pfingsten.

Einen besonderen Ausflügler konnte Bürgermeister Emig vor einigen Tagen begrüßen. Landrat Dr. Lommel besuchte mit seiner Frau überraschend das Dorf, stattete der Schule einen kurzen Besuch ab und konnte sich dann von der Einmütigkeit und Zusammenarbeit der Dorfgemeinschaft überzeugen. Das, was er sah, bezeichnete er als vorbildlich und gab seiner Freude darüber Ausdruck. Bei Scheinwerfer- und Laternenlicht waren gelernte und ungelernte Arbeiter freiwillig bis nach 23 hier unter Leitung von Pfarrer Müller tätig. Die Krönung erhielt die tagelange, aufopfernde Arbeit in einem bescheidenen „Festakt“, als Bürgermeister Emig um 23.15 das neue Straßenschild mit der Aufschrift Pfarrer-Müller-Straße anbringen ließ. Es ist geplant, die „Tauffeierlichkeiten“ bei der offiziellen Straßeneinweihung am 24. Juni, die zu einem Festtag ausgestaltet werden soll, nachzuholen.

Günter Körner 9.6.2015