Nach dem 30jährigen Krieg

Aussagen über die Auswirkungen des 30jährigen Krieges, besser gesagt über das Leiden und Sterben der Bevölkerung, sind wegen fehlender Unterlagen meist nicht möglich. Deshalb gehen die Angaben über allgemeine Feststellungen „der Ort wurde ein Raub der Flammen“ oder „das Dorf war ganz entvölkert“ nicht hinaus. Dies trifft auch für Nieder-Liebersbach zu.

Eine „Beschreibung der Güter zu Nieder-Liebersbach 1654“ gibt jedoch eine vage Vorstellung vom damaligen Zustand. Dem Leser wird dabei eine sich ständig wiederholende Art der Formulierung zugemutet, was jedoch bei der Einmaligkeit dieses wichtigen Zeitzeugnisses vertretbar erscheint.

Hauptzweck dieser Bestandsaufnahme war es damals festzustellen, welche Steuern und Abgaben von der geschundenen Bevölkerung geleistet werden könnten. Penibel werden dabei jedes Stück Feld, Wiese und Wald mit der Lage der betreffenden Grundstücke und deren Angrenzer angeführt. Zunächst stellt der Schreiber in einer Art Vorwort fest, dass die abgabepflichtigen Huben, die der Kellerei Heppenheim (= Oberamt Heppenheim) und die Huben die den Edelleuten (= Birkenauer Ortsherren) zinspflichtig waren, wegen der Wirren des großen Krieges nicht mehr festzustellen und damit auseinander zu halten sind.

Dann zählt er die einzelnen Huben auf:

  1. Aßmus Pfrang, Bürger in Weinheim. Haus, Hof Garten, Acker Wiesen aneinander beforcht (= angrenzend), heimzu der gemeine Weg, außen Birkenauer Gemarkung, einseit Hans Röd, Martin Kopf und Hans Röder, wider anderseits Georg Schmitt, Adam Schmitt, Hans Röder, Martin Kopf und Hans Spath. Zu diesem Gut zählten 18 Stücke Acker, Wiesen und Hecken (Wald).
  2. Georg Schmitt, prius (= vorher) Hans Ziegler, modo (= danach) Hans Hertel Witwe.
    Ein Haus, Hof, Garten, an einander beforcht, heimzu der gemeine Weg, außen Martin Kopf und Hans Kopf, einseit Bastian Spath, ander Seit die Mühl. Es folgt die detaillierte Beschreibung von 11 weiteren Grundstücken.
  3. Adam Schmitt hat Bastain Probsten Gut, modo Hans Schmitt.
    Haus, Hof, Garten, aneinander beforcht, ist abgebrannt, einseits gemeiner Weg, andererseits gemeiner Bach, außen Melchior Heidenstengel, heimzu Hans Kopf. 28 weitere Grundstücke.
  4. Ferner Adam Schmidt, ein Gut von Hans Getzelmann (auch Götzelmann), modo Hans Schmidt.
    Haus, Hof und Garten aneinander vom gemeinen Weg bis gerings herum wieder an den Weg und sein voriges Gut beforcht. 27 weitere Grundstücke.
  5. Hans Kaiser modo Hans Steffen (auch Steffan), Mühl ist vacat (ist leer oder unbewohnt)
    Diese Mühl gibt jährlich Pacht den Landschad und beiden Betramen (= Birkenauer Ortsherren, die Landschad von Steinach waren 1654 bereits ausgestorben) von jedem Stamm (= 2 Mühlgänge) 1 Malter Korn und 1 Malter Hafer, tut zusammen 2 Malter Korn, 1 Malter Hafer. Haus Hof und Garten samt Mühlplatz, beforcht heimzu die gemeine Bach, außen Georg Schmitt und Hans Röd, einseit Hans Kopf, anderseit Georg Schmitt 3 weitere Grundstücke.
  6. Martin Ziegler, prius Hans Röder der Alt
    Haus, Hof und Garten an einander, beforcht heimzu gemeiner Weg, außen Adam Schmitt, einseit Martin Ziegler mit seinem andern Gut, anderseit der gemeine Weg. 7 weitere Grundstücke
  7. Ferner Peter Fleßern modo Conrad Reder (Röder)
    Haus, Hof, Garten und Wiese an einander, beforcht heimzu Martin Ziegler, außen Adam Schmitt, einseit gemeiner Bach, anderseit gemeiner Weg und er selbst. 23 weitere Grundstücke.
  8. Hans Kopf prius Hans Odenheimer.
    Haus, Hof, Wiesen, Garten, an einander, beforcht heimzu Adam Schmitt, anderseit Hans Floh (?) und Hans Röder. 36 weitere Grundstücke.
  9. Hans Roder (Röder), modo Andreas Ziegler, vacat
    Ein abgebrannter Platz (später gestrichen), Haus, Hof und Garten an einander, beforcht vorne der gemeine Weg, hinten Hans Kopf und Bastian Spath. 27 weitere Grundstücke
  10. Martin Kopf modo Martin Ade, vacat
    Haus und Hofplatz, auch eine Wiese und Acker an einander, heimzu der gemeine Weg, außen Hans Röd und Georg Schmitt, einseit auch gemeiner Weg, anderseit Hans Rod und Hans Kopf, auch Bastian Spath. 30 weitere Grundstücke.
  11. Bastian Spath modo Aßmus Pfrang
    Haus und Hofplatz, auch Wiesen und Garten an einander, vorn der gemeine Weg, hinten Hans Rod, einseit auch Georg Schmitt. 28 weitere Grundstücke.

Nachfolgende Güter haben die Einletzigen (arme Einwohner ohne Wagen, Pferd und Feldgüter) besessen und (sind) nunmehr abgestorben.

Melchior Heidenstengel modo Hans Kopf

1 Viertel Garten, worauf ein Häusel gestanden, beforcht heimzu Adam Schmitt, außen gemeiner Weg, einseits Georg Schmitt, anderseits Hans Kopf und die gemeine Bach.

Hans Flach modo Hans Kopf

1 Stück Garten, worauf auch ein Häusel gestanden, beforcht heimzu Hans Kopf und der gemeine Weg, außen Adam Schmitt, einseit gemeiner Weg, anderseit Hans Kopf.

Ein Platz darauf ein Häuslein gestanden, einseit die Bach, anderseit der Weg und sonst Hans Kopf, welches Stückchen Hans Kopfen ist und von Hans Rothen verstorbener Tochter, welche ergraben lassen, vermacht worden, gibt auch ein Beeth (= Steuer).

Gemeine (= Gemeinde) Wald und Felder

Ein Wald mit Eichen und Buchen, welche aber nicht zum Bauen taugen, beforcht heimzu Hans Falter von Hemsbach, außen Hemsbacher Gemarkung, einseit Adam Schmitt, Georg Schmitt, Martin Kopf und die Hemsbacher Gemarkung, anderseits Umbstetters Erben, Aßmus Pfrang, Martin Kopf, Dines Forst (?),Martin Kopf und Hans Kopf.

Ein Stück Allmendgarten In der Lang, heimzu Adam Schmitt und gemeiner Weg, außen gemeiner Weg, einseit Adam Schmitt und Aßmus Pfrang, anderseit Adam Schmitt.

Ein Stück Acker, heimzu gemeiner Weg und Martin Ziegler, außen Adam Schmitt, einseit Aßmus Pfrang und gemeiner Weg, anderseit Aßmus Pfrang und die gemeine Bach.

Vier von elf Bauernhöfen (darunter die Mühle) waren 1654 wüst oder so beschädigt, dass sie unbewohnbar geworden waren. Drei kleine Häuser armer Leute waren dem Erdboden gleich gemacht. Geht man von einstmals 14 bewohnten Häusern aus, so waren gerade einmal die Hälfte nach dem 30jährigen Krieg noch bewohnt. Wobei in Betracht gezogen werden muß, dass die Verhältnisse 1648 durchaus noch schlimmer gewesen sein können.

Im Gemeindewald war vermutlich zuerst, wie in Birkenau, zur Zahlung von überhöhten Kontributionen nahezu ein Kahlschlag durchgeführt worden. Der Restbestand des Waldes war, da keine öffentliche Ordnung mehr funktionierte, geplündert und verdorben.

Eine wichtige Information ist auch die bis heute erstmalige Nennung der Allmende „In der Lang“. Darüber hinaus werden bei der Beschreibung der Äcker, Wiesen und Hecken flächendeckend Gewannbezeichnungen angegeben, die so ausgewertet werden können.

Günter Körner (12.1.2015)