Der Gerichtskasse in Darmstadt wurde eine Kuh verpfändet

Der in Birkenau tätige wamboltische Amtmann Leonhard Krauß schlug 1774 seiner Herrschaft vor Kühe, die auf dem Hasselhof standen, an Interessenten zu verleihen und dafür jährlich 4 bis 5 Gulden zu verlangen. So könnte das Risiko der Viehhaltung minimiert werden. Wenn man so will, handelte es sich bei dieser Aktion um „Odenwälder Leihkühe“.

Eine Kuh konnte im 19. Jahrhundert sogar beliehen werden, also zur Erlangung eines Darlehens als Sicherheitsleistung dienen. Dies dokumentiert ein Hypothekenbuch der Gemeinde Nieder-Liebersbach der Jahre 1754 – 1848, das über 200 Einträge über aufgenommene Hypotheken und Darlehen verzeichnet. Drei Fälle, in denen eine Kuh beliehen wurde, sind aufgeführt:

  • Am 4. Juni 1833 verpfändete Johannes Fath und seine Frau eine geborene Helfrich wegen 56 Gulden Gerichtskosten der Großherzoglichen Gerichtskasse in Darmstadt seine „eigentümliche Kuh wegen doppelter Verpfändung seines Vermögens. Und versprechen (die Eheleute Fath), dass nach ihrem Tod diese Schuld durch diese Kuh an die Großherzogliche Gerichtskasse zu Darmstadt bezahlt werden soll. Es wird hierbei bemerkt, dass diese Kuh nicht veräußert werden darf und nach dem Tode der Johannes Fathischen Eheleute, sogleich an Großherzogliches Landgericht berichtet werden muss“.

Über acht Jahre später am 23. Dezember 1841 meldete Bürgermeister Johann Adam Kadel pflichtbewußt, dass die Eheleute Fath verstorben seien und die Kuh nunmehr zur Abdeckung der Gerichtskosten zur Verfügung stehe. Wie es um den Marktwert der alten Kuh stand, ist nicht überliefert.

  • Am 21. Oktober 1836 erhielten Johannes Helfrich und seine Ehefrau Anna Margaretha, eine geborene Falter von Nikolaus Jochim aus Balzenbach ein Darlehen von 80 Gulden. Als Sicherheit stellten sie ihre neu erbaute Scheuer und eine auf 50 Gulden taxierte Kuh.
  • 1847 akzeptierte sogar die Sparkasse Heppenheim eine Kuh in der Farbe „gelb-fahl mit Bless zu Unterpfand“. Franz Stäckler der III. und seine Ehefrau eine geborene Schmittinger hatten ein Darlehen von 50 Gulden aufgenommen. Die Frage drängt sich auf, ob sich die Sparkasse Starkenburg auch heute auf ein solches Geschäft einlassen würde.

Diese Vorgänge entbehren heute nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik, bedeuteten aber für unsere Vorfahren, die teils in bitterer Armut lebten, offenbar bei finanziellen Engpässen den letzten Rettungsanker.