Bürgermeister (1821 -1971)

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Walter Jäger

Bürgermeister (1821 -1971)

Bürgermeister im heutigen Sinne gibt es seit dem Jahre 1821, der Einführung der hessischen Gemeindeordnung. Die Wahl des Bürgermeisters fand dabei während einer Gemeindeversammlung statt. Wahlberechtigt war jeder Mann, der die Staatsbürgerrechte besaß und Steuern zahlte. Die Wahlberechtigten konnten unter drei Kandidaten wählen. Nach erfolgter Wahl bestätigte die Staatsregierung die ihres Erachtens geeignetste Persönlichkeit, die nicht unbedingt die sein musste, die die meisten Stimmen auf sich vereinigte. Die Wahlzeit betrug sechs Jahre. Ausschlaggebend war damals auch die Konfession, die in einem Ort vorherrschte. So war es eher die Ausnahme, dass in Nieder-Liebersbach bei einer überwiegend katholischen Einwohnerschaft ein evangelischer Bürgermeister gewählt würde.

Gegen Jahresende 1821 fanden die ersten Bürgermeisterwahlen statt.

Die Nieder-Liebersbacher Bürgermeister seit 1821 waren:

  1. Philipp Stäckler von 1821-24. Er hatte den Beruf des Schuhmachers und war zum Zeitpunkt der Wahl 51 Jahre alt. Nur auf wenig erhaltenen Schriftstücken findet sich seine Unterschrift. Philipp Stäckler wurde nach kurzer Amtszeit abgelöst. Möglicherweise „schämten“ sich wie in Birkenau die „Großbegüterten“, dass ein so armer „Schlucker“ der Gemeinde vorstand. Im Jahre 1832 betrug sein Steuerkapital gerade einmal 18 Gulden, wogegen die wohlhabenden Bürger über 300 Gulden angaben.
    Philipp Stäckler verstarb am 19.8.1841.
  2. Johann Adam Kadel (evangelisch !) von 1824 – 49. Er war im Gegensatz zu seinem Vorgänger ein wohlhabender Landwirt mit einem Steuerkapital von 245 Gulden. Durch „allerhöchstes Dekret“ wurde er am 23.September 1842 nochmals für eine Amtszeit bestätigt.
  3. Johann Simon Bürner von 1849- bis zu seinem Tode am 30.7.1858. Bürner war von Haus aus Müller.
  4. Adam Emig von 1858 -1879. Aus der Familie Emig kamen drei Bürgermeister. Neben dieser Tätigkeit für die Gemeinde Nieder-Liebersbach betrieb die Familie Emig die Gastwirtschaft „Zur Rose“, in der zeitweise auch die Bürgermeisterei untergebracht war.
    Am 29. Juli 1879 wird dem Kreisamt in Heppenheim gemeldet, dass Bürgermeister Emig „derart erkrankt ist, dass er voraussichtlich längere Zeit dienstuntauglich sein wird“. Das Inventar der Gemeinde (Bücher, Akten, Dienstsiegel usw.) wurden deshalb am 12. 8. 1879 an den Beigeordneten Hübner in Beisein des Sohnes des Bürgermeisters, Johannes Emig, übergeben. Bürgermeister Adam Emig verstarb am 16. August 1879.
  5. Johannes Emig von 1879 – 1911. Am 13.9.1879 fand die Bürgermeisterwahl statt. Johannes Emig wurde mit 67 Stimmen gewählt. Gegen diese Wahl erhob Peter Uhl Einspruch, in dem er verschiedene Punkte vorbrachte, u. a. „dass der Gang zum Büro des Bürgermeisters unmittelbar an der Tür des Wirtszimmers vorbeiführt, die größtenteils offen steht und jeder Gast den Vorüberkommenden zurufen kann, was gar öfters vorkommt, dass Familienväter, die ihr Geld sonst wo nötiger als wie zum Vertrinken von Wein, Branntwein oder Bier hätten, halbe Tage lang im Wirtshause sitzen, was bloß durch die Geschäfte, die auf dem Bürgermeisterbüro zu verrichten waren, herbeigeführt wurde.“
    Der Einspruch des Philipp Uhl , dem der Beigeordnete Adam Hübner selbst ein denkbar schlechtes Zeugnis ausstellte, wurde zurückgewiesen mit der Auflage, das Büro des Bürgermeisters nach Fertigstellung der Schule dorthin zu verlegen.
    Wiederwahl erfolgte am 26.5.1888 und am 29.5.1897. Anlässlich seines 25jähigen Dienstjubiläums erhielt Johannes Emig einen Orden, das „silberne Kreuz“. Am 21.6. 1906 wurde Emig nochmals für weitere 9 Jahre zum Bürgermeister gewählt. Der Bürgermeister war, wenn es darauf ankam, ein streitbarer Zeitgenosse. Ein Redakteur des Hessischen Volkfreundes, Wilhelm Knoblauch aus Darmstadt hatte einen kritischen Zeitungsartikel verfasst. Bürgermeister Emig zeigte ihn deshalb wegen Beleidigung an und bekam recht. Der Redakteur wurde zu einer Geldstrafe von 50 Mark, wahlweise 10 Tage Haft verurteilt.
    Im September 1910 bat Johannes Emig das Kreisamt um 3 Monate Urlaub wegen eines erlittenen Schlaganfalls, den er im Herbst 1908 hatte. Einige Wochen amtierte er noch als Bürgermeister, mußte krankheitsbedingt nach kurzer Zeit jedoch wieder passen. Im Juli 1911 bittet der Beigeordnete Hübner um Abhaltung von Bürgermeisterwahlen. Bürgermeister Johannes Emig verstarb am 5.9.1911.
  6. Franz Adam Kohl 1911-17. Am 7.9.1911 wurde er zum Bürgermeister gewählt. Gleich nach der Wahl wandte sich ein Einwohner an das Landratsamt und berichtete, dass Franz Adam Kohl an einer „unheilbaren und vererblichen Krankheit leide“.
    Aus einer Gegenvorstellung ist zu erfahren, dass Kohl bereits dreimal zum Präsidenten des 60 Mitglieder zählenden Bauernvereins gewählt worden war und niemand an seiner Krankheit Anstoß genommen hätte. Der Bürgermeister litt an einer „Brustkrankheit“. Das Kreisamt wies die gemachten Einwürfe zurück, da keine Einwendungen gegen die Persönlichkeit eines Gewählten erhoben werden können, sondern nur gegen die gesetzliche Wählbarkeit“. In einer feierlichen Sitzung am 11.11.1911 wurde der aus Abtsteinach stammende Franz Adam Kohl in sein Amt eingeführt.
    Im März 1915 war der Bürgermeister erkrankt und musste die Amtsgeschäfte an den Beigeordneten übertragen. Kurz darauf wurde der Beigeordnete Adam Hübner selbst krank, so dass der Gemeinderat Adam Jeck V. als Ersatz dem Kreisamt gemeldet wurde.
    Am 14. April 1915 wird gemeldet, dass Bürgermeister Kohl seinen Dienst wieder angetreten hat. Zwischen Bürgermeister Kohl und dem Beigeordneten Adam Hübner schien nicht das beste Verhältnis zu herrschen, da sich Hübner (der wieder den Bürgermeister vertrat) am 17. Juni 1915 beim Kreisamt in Heppenheim beschwert:
    „So ist und bleibt die Sache beim alten, das kann doch so nicht weitergehen ? Es kann mir doch niemand zumuten, dass ich für den Staat ohne Lohn arbeite. Meine Landwirtschaft mußte ich hierdurch vernachlässigen Ich mußte mir fremde Leute dazu nehmen und doppelt soviel bezahlen als ein hiesiger Bürgermeister pro Tag erhält.
    Der Gemeinde kann man doch nicht zumuten, dass sie auf längere Zeitdauer, die doppelten Bürokosten bezahlt. Sämtliche Gemeinderäte und Ortseinwohner schimpfen über solche Zustände. Entweder solle der Bürgermeister abdanken oder auf Anspruch von Bürokosten verzichten oder den Dienst wieder aufnehmen.
    Letzteres habe ich ihm schon mehrmals zugemutet, da erhielt ich die Antwort, kann und darf nicht. Weiter erklärte er, ich solle die Bürgermeisterei in meine Behausung nehmen.
    Das kann ich doch ohne weiteres nicht. Um all diese üblen Umstände aus der Welt zu schaffen, muß ich Großherzogliches Kreisamt so sehr darum bitten, die Sache sobald wie möglich in die Hand zu nehmen und eine Abänderung herbeiführen zu wollen.“
    Mitte Juli 1915 bittet Adam Hübner um Entlassung:
    „Zudem wäre es mir sehr lieb, wenn ich von den Dienste befreit würde. Von dem Verdienst kann heute niemand leben, und so muß ich jede freie Zeit ausnutzen, um meine landwirtschaftlichen Arbeiten nicht ganz zu vernachlässigen. Das kann niemand lange aushalten, kein junger Mann vielmehr ein Mann im Alter von 64 Jahren. Durch die Überanstrengung bin ich oft so zerstreut, dass ich fast nichts mehr rechts fertig bringe. Ich weiß, dass ich öfter große Fehler mache, die größtenteils darauf hinzuführen sind auf Überanstrengung.
    Ich bin ja gern bereit alles was in meinen Kräften steht zu tun. Doch einmal hört’s auf.“
    Ab 1.9. Bis zu seiner Wahl als Bürgermeister 1919 nahm der Gemeinderat Adam Jeck V. Die Aufgaben des Bürgermeisters wahr und erhielt aus der Gemeindekasse eine Entschädigung.
    Bürgermeister Franz Adam Kohl verstarb im Herbst 1917 und war bis zu diesem Zeitpunkt noch Bürgermeister des Ortes.
  7. Johann Adam Jeck V 1919 – 1925. Er wurde am 29.6.1919 gewählt und am 18.8. in sein Amt eingeführt. In den Jahren ist verschiedene Male die Rede davon, dass Bürgermeister Adam Jeck beleidigt wurde, auch von einem Gemeinderatsmitglied. Die entsprechenden Verfahren blieben jedoch ohne Ergebnis.
  8. Friedrich Adam Emig 1925 – 1945. Der neue Bürgermeister wurde am 23.8.1925 gewählt und am 31.10. verpflichtet. Sein Dienstzimmer „befindet sich im kleinen Schulhaus und soll dasselbe auch dort verbleiben“.
    Bürgermeister Emig war ein „Zentrumsmann“, der nach der Machtergreifung der NDSAP 1933 vor der Entscheidung stand, sein Amt niederzulegen oder aber den Versuch zu unternehmen, sich mit dem damaligen Unrechtssystem so weit als möglich abzufinden und Schlimmeres von Nieder-Liebersbach fernzuhalten. Er entschied sich wohl auch nach Gesprächen mit Pfarrer Müller für das Letztere. Am 8.12.1941 schrieb etwa der Kreisleiter der NSDAP an die Bürgermeisterei „da durch die Übernahme des konfessionellen Kindergartens nur eine vorübergehende Lösung gefunden wurde. Es ist daher meine Aufgabe, jetzt schon alle Vorbereitungen zu treffen, damit nach dem Kriege mit dem Neubau eines Kindergartens begonnen werden kann.“ Bürgermeister ließ dieses Schreiben einfach liegen und wurde im März 1942 an die Beantwortung erinnert.
    In Nieder-Liebersbach wurde keine Ortsgruppe der NSDAP gegründet, die Gemeinde wurde kurzerhand der Ortsgruppe Birkenau einverleibt.
    Im Oktober 1945 wurde Friedrich Adam Emig als Bürgermeister entlassen.
  9. Georg Jakob Jeck kommissarisch 10/1945 – 03/1946
    Vertreter des Landratsamtes kamen nach Nieder-Liebersbach, Parteienvertreter sprachen wiederum in Heppenheim vor mit dem Ziel, das gemeindliche Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Gleich welche Entscheidung getroffen wurde, das letzte Wort hatte die amerikanische Militärregierung. Immer neue Namen wurden ins Spiel gebracht.
    Am 17.11. sprachen Paul Klein als Vorsitzender der SPD, Ludwig Hofmann als Vorsitzender der CDU und Karl Reinig als Vorsitzender der KPD und Karl Krämer als weiterer Vertreter der KPD in Heppenheim vor. Verwundert nahm das Landratsamt zur Kenntnis, dass keine dieser Personen im Gemeinderat vertreten war. Übereinstimmend erklärten die Erschienenen: „Wir erklären ausdrücklich, dass die Vertreter, die im Gemeinderat angeblich den drei Parteien angehören, bis jetzt nicht in diese Parteien beigetreten sind. Sie sind also nicht als eingeschriebene Mitglieder der Parteien anzusehen.“ Das Landratsamt beschloss beim kommissarischen Bürgermeister anzufragen, weshalb dies so sei ?
    Ein Zeitgenosse warnte vor einem Bürgermeister-Kandidaten und bezeichnete ihn als „Quertreiber“.
  10. Franz Joseph Stäckler 04/1946 – 05/1948. Der Gemeinderat hatte bereits am 18.10.1945 beschlossen: „Sollte der langjährige Bürgermeister Emig nicht mehr als Bürgermeister eingesetzt werden, dann soll Franz Joseph Stäckler an dessen Stelle treten.“ Am 2. April 1946 wurde Franz Joseph Stäckler wurde mit 6 zu 2 Stimmen des Gemeinderates zum Bürgermeister gewählt.
  11. Friedrich Adam Emig 1948 – 52. Die Wiederwahl des altgedienten Bürgermeisters fand am 24.5.1948 statt, Amtsantritt war am 17.8.1948, offiziell nach der Vereidigung am 1. September.
  12. Ludwig Hofmann 1954 – 69. Anfang Oktober 1954 lautet ein Eintrag im Gemeinderatsprotokoll lapidar: „Abgegeben wurden neun Stimmen und zwar vier Stimmen für den seitherigen Gemeindevertreter Ludwig Hofmann und fünf Stimmen waren weiß abgegeben. Mithin ist Ludwig Hofmann als Bürgermeister gewählt. Die Verpflichtung des neuen Bürgermeisters wurde sofort durch den zweiten Beigeordneten Gabriel Kadel ausgeführt.“
    Wiedergewählt wurde Ludwig Hofmann am 23.11.1956 (6 : 3 Stimmen), 2.12.1960 (6 : 3 Stimmen) und 20.11.1964 (7 : 2 Stimmen).
  13. Werner Schulz 1969 – 71, wurde am 20.12.1968 mit 6 zu 3 Stimmen als erster hauptamtlicher Bürgermeister von Nieder-Liebersbach gewählt.
Bürgermeister (1821 -1971)
Bürgermeisterwahl Nieder-Liebersbach 1968

Günter Körner (10.12.2014)

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