Nachruf auf Dr. Otto Wagner

Herr Dr. Otto Wagner ist nach einem erfüllten Leben im Jahre 2009 in Bensheim verstorben. Anlässlich seines Ablebens erschein am 17.6.2009 im Bergsträßer Anzeiger ein Nachruf, der die Verdienste von Dr. Otto Wagner würdigt:

Als Pädagoge, Politiker und Mensch ein Vorbild, das Spuren hinterlässt

Bensheim/Bergstrasse. Dr. Otto Wagner ist tot. Er starb am Montag zu Hause in Bensheim im gesegneten Alter von 96 Jahren. Erst in den allerletzten Wochen seines erfüllten Lebens hatte ihn zusehends die Kraft verlassen. Bis dahin nahm er noch mit wachem Geist Anteil am Geschehen, las er täglich die Zeitung und griff gelegentlich auch zum Telefonhörer, um sich zu Themen zu äußern, die ihm wichtig erschienen.

Berufspolitiker wollte er nie sein

Einer breiten Öffentlichkeit ist Dr. Otto Wagner durch seine herausragende Rolle bekannt geworden, die er über Jahrzehnte hinweg in seiner Partei, der CDU, auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene gespielt hat. Berufspolitiker wollte er selbst nie werden. Aber als Vorsitzender des einflussreichen „Elferrats“, des Wahlvorbereitungsausschusses der Hessen-Union, der für die Listenaufstellung verantwortlich zeichnete, hat er unzählige Karrieren befördert – nach klaren Prinzipien und mit sicherem Instinkt für Talente und Potenziale.

Die Graue Eminenz der Hessen-CDU

Das hat Otto Wagner gleich mehrere respektvolle Attribute eingebracht. Als „Graue Eminenz“ der CDU wurde er schon in jungen Jahren bezeichnet, geschätzt und gelegentlich auch gefürchtet. Später dann – lange, nachdem er seine ehrenamtlichen Funktionen niedergelegt hatte – war der Rat des „großen alten Mannes“ in seiner Partei bis hinauf zu deren Spitzen gefragt. Sein Wort galt etwas, bis zuletzt.

Wagners politisches Vermächtnis

Unvergessen bleibt der Empfang zu Wagners 95. Geburtstag im letzten Jahr in Heppenheim. Da wurde Wagner noch einmal – wie so oft in seinem langen Leben – als Vorbild und Galionsfigur gefeiert, die „mit politischer Leidenschaft und beispielloser Überzeugungskraft aus religiöser Verantwortung Maßstäbe gesetzt hat“. Seine damalige Dankesrede klang wie ein in Stein gemeißeltes politisches Vermächtnis: „Wir brauchen Menschen, die bereit sind, in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen – getragen von den Grundwerten, die sich im Parteinamen der CDU wiederfinden: Christlich Demokratische Union.“ Diese drei Begriffe hat Otto Wagner immer als Programm verstanden und der Partei durch seine schnurgerade Werteorientierung ein Gesicht gegeben.

Grundsätze wichtiger als Personen

Dabei hat Otto Wagner stets lieber über Grundsätze als über Personen geredet, erst recht, wenn er selbst im Mittelpunkt stand. Sich dem Zeitgeist anzupassen, wäre das Letzte gewesen, was er sich und anderen zugemutet hätte. Nichts anderes hat er von denen erwartet, die jetzt und in Zukunft Verantwortung tragen: dass es ihnen nicht zuerst um Posten, Karriere und Profit geht, sondern um ehrliche Arbeit und um Leistung.

Politik als Dienst am Bürger

Dass die CDU als „Volkspartei mit Wertegebundenheit“, wie er es zu formulieren pflegte, zu einem dauerhaften Erfolgsmodell geworden ist, verdankt sie Instanzen und Persönlichkeiten wie Dr. Otto Wagner. Vom tagespolitischen Auf und Ab ließ er sich niemals irritieren. Das politische Geschäft definierte er als „Dienst am Bürger“.

Bei den Nazis unerwünscht

Für eine Antwort auf die Frage nach dem glücklichsten Moment als homo politicus musste er keinen Moment überlegen: „1945, die Befreiung von der NS-Herrschaft durch die Nazis.“

Der junge Volksschullehrer Otto Wagner war von den Nazis zur unerwünschten Person erklärt worden, nachdem er – Sohn des Geschäftsführers der Zentrumspartei – 1933 als Student seine erste politische Versammlung gehalten hatte.

Obwohl seine geschliffene Rhetorik die Odenwälder Herkunft des gebürtigen Nieder-Liebersbachers nur noch erahnen ließ, hat er seine Wurzeln nie geleugnet und seine Heimatverbundenheit sogar zum Gegenstand diverser Publikationen gemacht.

Karriere als Schulmann

Weil ihm die Nazis „aus politischen Gründen“ die Unterrichtserlaubnis entzogen hatten, musste sich der studierte Pädagoge seinen Lebensunterhalt vorübergehend in einem Darmstädter Industrieunternehmen verdienen. Die 50-Stunden-Woche hinderte ihn nicht daran, parallel dazu in Heidelberg zu promovieren. Obwohl er im „roten“ Nachkriegs-Hessen wieder das falsche „schwarze“ Parteibuch hatte, stieg er zum Leitenden Regierungsschuldirektor auf.

Gründungsvorsitzender der CDU

Seinen Beitritt zur CDU erklärte er im Dezember 1945. Vom ersten Tag an, bis 1970, war er Kreis- und von 1949 bis 1989 vier Jahrzehnte lang Bezirksvorsitzender. Mit Heinrich von Brentano hat er den legendären Bundesaußenminister und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden während der Adenauer-Zeit als Wahlkreisabgeordneten an die Bergstraße geholt.

Einflussreich: Einer der Großen!

Mit Kanzler Helmut Kohl pflegte Otto Wagner, zusammen mit seinem Bruder Hans, dem langjährigen Landtagspräsidenten, eine enge Männer-Freundschaft. Den hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann und Roland Koch sowie Bundesinnenminister Manfred Kanther ebnete er mit den Weg in ihre Spitzenämter.

So war Wagner nicht nur ein einflussreicher, sondern ein mächtiger Mann. Seiner Rolle und Bedeutung zeigte er sich ebenso bewusst wie gewachsen – mal mit harter Hand, meist mit väterlicher Fürsorge. Die CDU im Kreis und im Land hat einen ihrer ganz Großen verloren! Karl-Heinz Schlitt

© Bergsträßer Anzeiger, Mittwoch, 17.06.2009