Geographie und Geologie

Nieder-Liebersbach    Gemeinde Birkenau

Koordinaten: 49° 34′ 59″ N, 8° 42′ 8″ O

Höhe:      175 m ü. NN

Fläche:    4,55 km²

Wappen

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Ortseingang von Nieder-Liebersbach aus Richtung Reisen (Bildautor: V. Buser)

Geographische Lage

Vorderer Odenwald als westlichster Teil der Einheit 14 Odenwald, Spessart und Südrhön.

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(„Haupteinheitengruppen westliches Schichtstufenland“ von derivative work: Elop (Ausschnitt) (talk) Naturraeumliche Grossregionen Deutschlands plus.png by Elop,  based  on  Deutschland_Naturraeumliche_Grossregionen.png by User:NordNordWest – Naturraeumliche Grossregionen  Deutschlands plus.png.  Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Haupteinheitengruppen_westliches_Schichtstufenland.png#/media/File:Haupteinheitengruppen_westliches_Schichtstufenland.png)

Nieder-Liebersbach liegt im Vorderen Odenwald (14) in einem rechten Seitental der Weschnitz, das von dem namengebenden Bach, dem Liebersbach auf eine Strecke von 7,089 km. durchflossen wird.

Die Weschnitz entspringt im Odenwald, im Ortsteil Hammelbach der Gemeinde Grasellenbach, östlich des 536 Meter hohen Wagenbergs. Sie fließt zunächst ein kleines Stück bis zur Ortschaft Weschnitz nach Norden und wendet sich dann nach Südwesten, bricht dabei auf zwei Kilometer Länge in einem engen Kerbtal zwischen dem 399 Meter hohen Krehberg im Süden und dem 435 Meter hohen Kohlwald im Norden durch den Tromm-Odenwald, um weiter über Fürth und später entlang der B 38 über Rimbach, Mörlenbach und Birkenau Weinheim zu erreichen. Zwischen Fürth und Birkenau weitet sich der Vordere Odenwald zur Weschnitzsenke. Das Gebiet des hier vorherrschenden relativ weichen und verwitterungsanfälligen Granodioritgesteins hat nach dem Fluss die Bezeichnung Weschnitzpluton erhalten.

Der Weschnitzpluton ist der größte Gesteinskomplex des Kristallinen Odenwalds. Sein Ausbiss bildet ein Dreieck zwischen Heppenheim, Weinheim und Reichelsheim mit dem namengebenden Odenwälder Weschnitztal als Kernbereich. Er besteht im Wesentlichen aus Granodioriten, die im späten Unterkarbon vor etwa 333 bis 329 Millionen Jahren auskristallisierten, und repräsentiert somit einen Abschnitt der Variszischen Gebirgsbildung

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(„Übersichtskarte Odenwald Weschnitzpluton 3“ von Milseburg/Jreiners – www.maps for free.com. Lizenziert unter GFDL über Wikimedia Commons –  https://commons.wikimedia.org/wiki/File:%C3%9Cbersichtskarte_Odenwald_Weschnitzpluton_3.PNG#/media/File:%C3%9Cbersichtskarte_Odenwald_Weschnitzpluton_3.PNG )

Der Granodiorit des Weschnitzplutons

Der in früheren Kartierungen als Hornblendegranit (Gh) bezeichnete Pluton wird heute als Granodiorit eingeordnet, der bei der Gebirgsbildung vermutlich als „intrusives Regenerat“ aus älteren, schon vor der Gebirgsbildung vorhandenen Beständen aufbereitet wurde.

Das grau-weiße Gestein besteht bei recht gleichmäßiger Körnung vor allem aus den hellen Gemengeteilen Quarz, Kalifeldspat und Kalknatronfeldspat (Plagioklas) und nur zum geringen Teil aus dunklem Glimmer (Biotit) oder Hornblende. Die durchschnittliche mineralogische Zusammensetzung liegt bei etwa 50 % Plagioklas, 20 % Quarz, 15 % Biotit, 10 % Kalifeldspat und 7 % Hornblende.

Solche Formationen sind noch in Steinbrüchen aufgeschlossen, in denen der Granodiorit für Bausteine sowie Straßenschotter abgebaut wurde bzw. wird: vor allem an beiden Hängen des Gebirgszugs der Juhöhe z. B. bei Nieder-Liebersbach, Kirschhausen, Wald-Erlenbach, Mitlechtern oder Sonderbach, wo am Nordfuß der Kohlplatte (Juhöhe) der Weschnitzpluton mit Pegmatit- und Schiefer.

Die strukturellen Einheiten des Odenwaldes

Karte3 Sw

(„Geolog. Karte (Stein) Odw7“ von http://www.uni-giessen.de/geographie/phy/akn/Exkursionen/Odenwald05/odenwald.htm – Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Geolog._Karte_(Stein)_Odw7.jpg#/media/File:Geolog._Karte_(Stein)_Odw7.jpg)

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Luftbild von Weinheim (Blick von Westen) mit dem Übergang vom Oberrheingraben zum Odenwald, quer in etwa durch die Bildmitte verlaufend. Links (Norden) die Weschnitzpluton-Einheit mit Saukopf-Gebirgsrücken, Birkenauer und Reisener Weschnitztal. Die östlich der Talgemeinden verlaufenden Hänge und Berge, beginnend hinter dem Rhyolith-Steinbruch des Wachenberges, werden durch Trommgranit, vermischt mit anderen Granitoiden und Gneisen gebildet („Weinheim-luftbild“ von Christos Vittoratos – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Weinheim-luftbild.jpg#/media/File:Weinheim-luftbild.jpg )

Durch die Kontinentalverschiebung drifteten in der Devon- und Karbon-Zeit (vor etwa 380-320 Mio. Jahren) kleine Kontinente und Inseln aufeinander zu. Infolge der Zusammenschiebungen wurden einmal Gesteine tief in die Erdkruste versenkt (Subduktion) und in ca. 15 Kilometer Tiefe aufgeschmolzen, zum Zweiten – zusammen mit Magmagesteinen – langsam wieder in die Erdkruste hochgedrückt, wo sie im Laufe von 60 Millionen Jahren allmählich abkühlten und auskristallisierten. So entstand das Variszische Gebirge, zu dem der Odenwald zählt.

Bei den tektonischen Prozessen rissen immer wieder in den Gesteinsmassen Spalten auf, in welche Schmelzen eindrangen und dort zu Ganggesteinen auskristallisierten, beispielsweise die Kersantit-Gänge auf der Juhöhe am Hang zur Bergstraße (Steinmauer) oder der erzführende (u. a. Kupfer, Eisen und Mangan) Schwerspat- und Quarzhärtling des Hinkelstein westlich von Ober-Liebersbach.(s. Naturdenkmäler im Weschnitzpluton)[11] Auch wurden ältere Granodioritbestände durch jüngere aplitartige Granite durchtrümmert wie zwischen Ober-Liebersbach und Bonsweiher.

Das heutige Landschaftsbild des Weschnitztals

Seit einigen Millionen Jahren bildet der Weschnitzpluton kein Gebirgsmassiv mehr, sondern ein weiträumiges intramontanes Becken, das nur gegen den Rheingrabenrand durch einen Granodiorit-Höhenzug begrenzt wird. Die Mehrzahl der das Weschnitztal im Norden, Osten und Süden umgebenden Berge gehören anderen geologischen Einheiten an.

Das heutige abwechslungsreiche Landschaftsbild mit den welligen zertalten Kuppen entwickelte sich im Tertiärzeitalter vor etwa 45 Millionen Jahren. Ähnlich wie bei den anderen Granitoid-Einheiten des Bergsträßer Odenwaldes ist vermutlich auch vom Weschnitzpluton nur der Ostteil erhalten geblieben. Der Rest des Plutons  dürfte zusammen mit den auf ihm lagernden Sedimentschichten in Verbindung mit einer Rift-Zone vom Mittelmeer bis an die Nordsee  bis zu 3,5 km (Ende des Tertiärs: bis 4 km) tief in den Oberrheingraben eingebrochen sein  und wurde durch Nachrutschen der damaligen Oberfläche und des Verwitterungsschuttes sogleich wieder aufgefüllt.

Lange Zeit später kam es in Mitteleuropa wieder zu starken Bewegungen in der Erdkruste: Diese Senkung dauert bis in die Gegenwart an, bei Darmstadt mit einer Geschwindigkeit von rund 0,2–0,4 mm pro Jahr. Zum Ausgleich hoben sich die angrenzenden Berge um bis zu 2,5 km an, doch setzte mit der Hebung bereits die Abtragung ein. In der Folge zerlegten viele Kreuz- und Querklüfte das Gebiet des heutigen Odenwaldes in Gebirgsblöcke und Gräben.

Eine Folge der Absenkung sind auch leichte Erdbeben im Nordwesten des Odenwaldes. Diese gehen über Mikrobeben hinaus, sind spürbar und können zu leichten Beschädigungen führen. Am 17. Mai 2014 um 18 Uhr 48 (MESZ) erschütterte ein Erdbeben mit dem Magnitudenwert von 4,2 auf der Richterskala Nieder-Beerbach. Das Epizentrum lag in einer Tiefe von ca. sechs Kilometern. Das Beben verursachte zahlreiche leichte Gebäudeschäden. Es war Teil einer Serie schwacher Erdbeben im Raum südöstlich Darmstadts seit März 2014, die auch in Nieder-Liebersbach noch deutlich zu spüren waren.

Das andauernd absinkende Rheintal legte auch die Erosionsbasis für die Weschnitz und ihre Seitenbäche, die meistens die Namen anliegender Ortschaften tragen, immer tiefer, so dass sich die Flüsse zunehmend ins Gestein einschnitten. Dabei fand die größte Erosion im Tertiär statt, während beispielsweise die Weschnitz bei Fürth zu Beginn der Eiszeit vor ungefähr 2 Millionen Jahren weniger als 50 m über dem heutigen (200 m über NN) Niveau floss, was altpleistozäne Schotter beweisen. In den Jahrmillionen zuvor hatte der Fluss das Erzberg (475 – 484 m) – Gebiet ungefähr 240 m durchschnitten und außerdem die Schichten darüber, die heute weggeräumt sind.

Außerdem begünstigte das warmfeuchte Klima dieser Zeit die Verwitterung. So wurden nicht nur die mächtigen Buntsandstein- und Muschelkalkschichten, die sich im Mesozoikum auf dem Granitsockel des Gebirges abgelagert hatten, zerkleinert und durch die Flüsse erodiert, sondern ebenfalls der wieder freigelegte kristalline Bergrumpf.

In diesem Zusammenhang entstanden die Granit-Felsburgen Die oberen Partien auf dem Höhenrücken der Juhöhe zerrissen in Blöcke und die anschließende chemische Verwitterung rundete sie ab (Wollsackverwitterung). Zuerst waren sie noch umgeben von einer bis 30 m tiefen Vergrusung, später spülten Regengüsse den Grus auf die Hänge (Hangschuttdecken) und ins Tal, wo ihn die Bäche abtransportierten, und legten die Granodioritfelsen frei, die teilweise in Auftauphasen Ende der Eiszeit auf dem Permafrostboden talabwärts rutschten und Blockmeere bildeten.

Schwerspat-Quarzgänge, wie die des Hinkelstein zwischen Ober-Liebersbach und Balzenbach oder des Steinböhl zwischen Klein-Breitenbach und Groß-Breitenbach, widerstanden wegen ihrer Härte der Verwitterung mehr als der sie umgebende Granodiorit. Deshalb wurden sie zwischen den weicheren Gesteinen als Bergrücken herausmodelliert.

Vom variszischen Weschnitzpluton-Massiv blieb also nur der westliche Gebirgszug und eine durch die Bäche erodierte breite hügelige Wanne übrig. Eiszeitliche (diluviale) und nacheiszeitliche (alluviale) Gehängelehme und Lössablagerungen kleideten die Landschaft aus und schufen so die abgerundeten Formen, die im weiträumigen Einzugsgebiet der Weschnitz landschaftsbestimmend sind.

Zum heutigen Landschaftsbild gehören aber nicht nur alte Geländeformationen, sondern auch die neuen, die durch den Bau des Saukopftunnels mit seinen verschiedenen Brücken entstanden sind.

Der Saukopftunnel unterquert nördlich von Weinheim den Westkamm des Odenwaldes. Durch ihn verbindet die Bundesstraße 38 die Oberrheinische Tiefebene mit dem Birkenauer Tal (Tal der Weschnitz). Er ist 2715 m lang und damit der längste einröhrige, im Gegenverkehr betriebene Straßentunnel in Mitteleuropa außerhalb der Alpen.

Der Tunnel beginnt im Westen zwischen Weinheim und Weinheim-Sulzbach in Baden-Württemberg, führt in östlicher Richtung ungefähr unter dem 348 m hohen Saukopf durch und endet im Osten zwischen Birkenau und Nieder-Liebersbach in Hessen. Auf östlicher, hessischer Seite hat sie eine Abfahrt zu der Birkenau mit Nieder-Liebersbach verbindenden K 11 und führt danach über Mörlenbach in nordwestlicher Richtung weiter in den Odenwald.

Durch Kupfer-, Mangan- und Eisenbeimengungen braun-schwarz-grau gebänderte Baryt-Quarzblöcke des Hinkelsteins zwischen Ober-Liebersbach und Balzenbach.

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(„Hinkelstein Balzenbach“ von Jreiners – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hinkelstein_Balzenbach.JPG#/media/File:Hinkelstein_Balzenbach.JPG )


Der Granodiorit-Fels Stennen Ros in Form eines liegenden Pferdes am Osthang des Kreuz-Berges (zwischen Hemsbach und Balzenbach) ist bereits 805 in einer Urkunde aus der Karolingerzeit als Grenzmarke erwähnt.

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(„Stennen Ros 805“ von Jreiners – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stennen_Ros_805.JPG#/media/File:Stennen_Ros_805.JPG )


Granitblöcke mit eingehauenen Kreuzen am Höhenweg zum
Kreiswald wurden früher als Lagersteine (=Grenzsteine) genutzt.

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(„Lagerstein Juhöhe“ von Jreiners – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lagerstein_Juh%C3%B6he.JPG#/media/File:Lagerstein_Juh%C3%B6he.JPG )


Ovale, brotlaibförmige Einritzungen gaben einem Felsen nördlich des Hirschkopf-Turms bei Weinheim den Namen Batzenbrotstein. Unter der Bezeichnung Hölzerlips-Stein erinnert er angeblich an einen Mord der Räuberbande an dieser Stelle.

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(„Hirschkopf Batzenbrotstein 847“ von Jreiners – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hirschkopf_Batzenbrotstein_847.JPG#/media/File:Hirschkopf_Batzenbrotstein_847.JPG )


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Waldnerturm bei Hemsbach (Rhein-Neckar-Kreis)

(© LUBW, Autor: M. Linnenbach)

Der Waldnerturm im Bergsträßer Odenwald wurde Mitte des 19. Jh. im Stil eines mittelalterlichen Wachturms erbaut. Bis heute trägt das quadratische Bauwerk den Namen seiner Erbauer, dem elsässischen Adelsgeschlecht Waldner von Freundstein*, das 1837 auch den naheliegenden Schafhof (Waldnerhof) erwarb und bewirtschaften ließ.

Die Baumaterialien, Granit für das Mauerwerk und Buntsandstein für die Tor- und Fensterbögen, beschaffte man aus der unmittelbaren Umgebung, vermutlich aus den Steinbrüchen der benachbarten Ortschaft Nieder-Liebersbach.


Quellen:

http://www.birkenau.de/Startseite/Portrait/Ortsteil-Nieder-Liebersbach/K104.htm

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Wappen_Nieder-Liebersbach.png

https://de.wikipedia.org/wiki/Nieder-Liebersbach

https://de.wikipedia.org/wiki/Weschnitzpluton

http://www.uni-giessen.de/geographie/phy/akn/Exkursionen/Odenwald05/odenwald.htm
Geomorphologie, naturräumliche Ressourcen und Naturgefahren/AKN – Arbeitskreis Klima und Naturgefahren/Petrologisch-geologische Exkursion Odenwald vom 16. – 17. Juni 2005

Stein, Eckardt u. a.: Geologie des kristallinen Odenwalds – seine magmatische und metamorphe Entwicklung In: Jahresberichte und Mitteilungen. Oberrheinischer Geologischer Verein, N.F.83, 2001, S. 89-111.

https://de.wikipedia.org/wiki/Odenwald

https://de.wikipedia.org/wiki/Saukopftunnel

http://www.themenpark-umwelt.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/11167/
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg

Beitrag von Dr. Eberhard Jochims